Biologie und Ökologie der Waldameisen

Referat von Andrea Sternberg im Ökologischen Seminar bei Dr Könis, 1994, Universtät Kassel

Formica rufa Arbeiterin by Richard Bartz
Formica rufa Arbeiterin by Richard Bartz

 

1. Einführung

 

1.1 Systematik

Systematisch gehören die Ameisen (Familie Formicidae) zu den geflügelten Insekten (Pterygota), Ordnung Hymenoptera (Hautflügler), Unterordnung Aculeata (Stachelwespen). Weltweit sind ca. 12500 Ameisenarten bekannt. In Deutschland findet man 85 Ameisenarten, wovon 41 als gefährdet eingestuft worden sind, zwei dieser Arten sind bereits verschollen.

 

1.2 Schutz

Schon seit 1724 besonders geschützt sind die Waldameisen, Gattung Formica. Nach §24 Abs.1 und 2 der heutigen Naturschutzordnung ist es verboten, Waldameisen zu töten, zum Zwecke der Aneignung zu fangen oder Puppen, Larven und Nester zu beschädigen, ebenso ist es untersagt, Waldameisen, ihre Larven, Puppen und Nester zu versenden oder zu erwerben.

 

1.3 Lebensweise

Die Waldameisen (Formica spec.) leben gesellig in Staaten/Kolonien mit Arbeitsteilung -teils sogar mit Sklavenhaltung- vornehmlich in Boden- und Haufennestern. Eine bzw. mehrere Königinnen stehen an der Spitze des Staates (Amazonenstaat) als einzige fruchtbare weibliche Tiere, daneben sind verschieden spezialisierte Arbeiterinnen (z.B. Soldatinnen, Ammen, Bauarbeiter) und zur Paarungszeit geflügelte Männchen zu finden. Morphologisch unterscheiden sich die einzelnen Arbeiterinnenkasten im Gegensatz zu vielen anderen Ameisenarten bei der Gattung Formica nicht.

 

Der enge Zusammenhalt innerhalb der Nestgemeinschaft wird durch chemische Substanzen auf der Körperoberfläche, die zum gegenseitigen Belecken animieren, durch den sog. "Volksgeruch" (hervorgerufen durch Nahrung und Nistmaterial) und durch gegenseitiges Füttern gewährleistet.

 

1.4 Entwicklung

Die Entwicklungsdauer vom Ei zum adulten Tier hängt von den Temperaturverhältnissen ab, nimmt aber mindestens 4 Wochen in Anspruch. Unbefruchtete Eier, aus denen sich Männchen entwickeln (haploid), entstehen vor allem bei niedrigen Temperaturen im Nest, die plasmareichen Polplasmaeier zur Entstehung von Königinnen treten im Frühjahr auf und die kleineren, plasmaärmeren, befruchteten Sommereier vor allem in Sommer und Frühherbst. Um eine Königin zu erzeugen, reicht aber nicht allein die Tatsache aus, daß eine Larve aus einem Polplasmaei geschlüpft ist (blastogener Faktor). Sie benötigt zur Entwicklung zusätzlich eine große Menge an Futtersekret aus der Hypopharynxdrüse der Ammen (trophogener Faktor). Bekommt sie dies nicht in ausreichender Menge, so entwickelt sich eine Arbeiterin.

 

 

 

Ameisenhügel by Hedwig Storch
Ameisenhügel by Hedwig Storch

2. Große Rote und Kleine Rote Waldameise

 

Von Bedeutung für den Forst sind bei uns besonders die Große Rote Waldameise (Formica rufa) und die Kleine Rote/Kahlrückige Waldameise (Formica polyctena), die beide in der Liste der gefährdeten Arten aufgeführt sind und im Rahmen des biologischen Forstschutzes besonders gefördert werden.

 

2.1 Der Ameisenhügel

Sowohl die Großen wie auch die Kleinen Roten Waldameisen bauen Hügel von oft beeindruckendem Umfang und enormer Höhe (bis 2m über dem Boden), wobei der nicht sichtbare, unterirdische Teil des Nestes noch wesentlich umfangreicher sein kann als der oberirdische (ca. 2/3 zu 1/3). Von diesen Hügeln aus führen zahlreiche, mit Duftstoffen markierte Ameisenstraßen zu Tochternestern und zu den Jagd- und Fraßgebieten (Laufbereich ca. 30 - 100m). Den Mittelpunkt des Nestes bildet meist ein mit Gängen durchnagter Baumstumpf, der mit kleinen Zweigen, Fichten- und Kiefernnadeln und trockenem Laub überdeckt wird. Im Innern, wo sich die Larven- und Puppenkammern befinden, liegen grobe Pflanzenteile und Zweige, nach außen hin wird das Baumaterial feiner. Die äußere Schutzschicht besteht ganz aus Nadeln. Der Ameisenhügel ist von einem Hof aus Erdauswurf umfaßt, der auf keinen Fall betreten werden darf, darunter liegende Gänge könnten beschädigt werden. Der Erdauswurf rührt von der umfangreichen Anlage von Kammern und Gängen im Erdreich her, in denen sich die Eier und kleinen Larven befinden, die höhere Feuchtigkeit und tiefere Temperaturen benötigen als die älteren Larven. Die Königin/nen leben meist in den Kammern des Baumstubben. Aufgrund seiner Hügelform kann der Ameisenhaufen die einstrahlende Sonnenenergie optimal zur Erwärmung des Nestes ausnutzen. Im Vergleich erhält der Nesthügel in den Morgen- und Abendstunden ca. 3mal soviel Sonnenbestrahlung wie ein flaches Stück Boden des gleichen Durchmessers.

 

2.2 Aufbau des Ameisenstaats

Der Ameisenstaat ist ein "Amazonenstaat" mit einer bzw. mehreren Königinnen, die sich durch ihre Größe und den kugelrunden, dunkelkarminschwarz leuchtenden Hinterleib von den Arbeiterinnen unterscheiden. Die männlichen Tiere sind geflügelt mit einem langgestreckten, schwarzschillernden Abdomen. Sie sterben bald nach dem Hochzeitsflug. Befruchtete, junge Königinnen kehren in ihr altes oder ein anderes Nest der gleichen Art zurück (F. polyctena) oder gründen ein neues (F. rufa). Der in ihrem Körper vorhandene Samenvorrat reicht für ca. 20 Jahre zur Befruchtung der Eier aus.

 

2.3 Das Ameisenjahr

Das Ameisenjahr beginnt Anfang März mit der "großen Sonnung". Nach der Winterruhe, die die Ameisen in einem Starrezustand im frostgeschützten Nestinneren verbringen, kommen sie zum Wärmetanken massenweise auf die Nestkuppel. Sie tragen die in ihren Körpern gespeicherte Wärme in das Nest ein und heizen es so auf ca. 26°- 28°C auf. An dieser ca. drei Wochen andauernden Arbeit beteiligen sich die Altköniginnen, die auf die Kuppel getragen werden, und die Arbeiterinnen. Ende Mai bis Juni schwärmen die Geschlechtstiere aus zum Hochzeitsflug. Nach der Begattung werfen die Königinnen ihre Flügel ab und suchen sich ein Nest. Die Männchen sterben bald.

Bei Formica rufa findet man meist nur eine, höchstens einige wenige Königinnen pro Ameisenhügel (monogyn), während dagegen bei Formica polyctena, der häufigsten Waldameisenart in Europa, mehrere 100 bis über 1000 Königinnen pro Nest anzutreffen sind (polygyn). Daher sind F. polyctena-Nester individuenreicher mit ca. 500.000 - 2 Millionen Arbeiterinnen in einem großen Hügel mit einem Durchmesser von bis zu 5m. Die Kahlrückige Waldameise zieht häufig um und neigt außerdem zur Ablegerbildung, d.h. es bilden sich Kolonien aus 10 und mehr nahe beieinander liegenden Tochternestern, die sich völlig friedlich zueinander verhalten (polydrom). Große Kolonien können über 100 Einzelnester aufweisen. Formica rufa ist ortsfest, und ihre Nester stehen meist allein (monodrom). Ihre Einzelnester verhalten sich feindlich und werden meist nur so alt wie ihre Königin. F. polyctena-Nester dagegen können durch jährliches Hinzukommen von jungen Königinnen sehr alt werden (über 70 Jahre).

 

Nur bei polygynen Ameisenarten, also bei F. polyctena, werden junge Königinnen nach dem Hochzeitsflug in schon existierende Nester aufgenommen, es wird sogar berichtet, daß zufällig in der Nähe eines Ameisenhügels gelandete Königinnen von Arbeiterinnen regelrecht in ihren Bau gezerrt wurden. Königinnen von monogynen Arten dagegen müssen ein neues Nest gründen. Sind sie selbst nicht zur Brutpflege befähigt, wie dies bei F.rufa der Fall ist, so sind sie auf die Hilfe von Arbeiterinnen angewiesen. Oft dringt die junge Königin daher in den Bau einer nahe verwandten Ameisenart ein, tötet deren Königin und veranlaßt die verwaisten Arbeiterinnen, jetzt ihre "Sklaven", den Nachwuchs des Eindringlings großzuziehen. Allmählich stirbt das Sklavenvolk aus, und schließlich bleibt eine reine F. rufa Population. Eine F. rufa Königin legt täglich ca. 300 Eier, so daß die Volksstärke im Sommer etwa 100.000 beträgt.

 

Ständig sind die Arbeiterinnen mit der Pflege der Brut und der Regulation der Nesttemperatur beschäftigt. Larven und Puppen werden immer wieder hin- und hergetragen, je nachdem, welche Kammern die günstigsten Temperatur-, Feuchtigkeits- und Sauerstoffverhältnisse aufweisen. Zusätzlich werden sie bei schönem Wetter morgens auf die sonnige Oberfläche getragen und abends wieder zurück in ihre Schlafkammern. Auch das Nestmaterial wird ständig umgelagert. Feuchtes Baumaterial aus dem Inneren wird nach außen zum Trocknen gebracht und trockenes wieder nach innen. Wie wichtig diese Arbeit ist, sieht man daran, daß verlassene Ameisenhügel innerhalb kurzer Zeit verschimmeln. Zur Regulation des Klimas im Nestinneren tragen die Ameisen Wasser zum Verdunsten ein oder, wie bei der stationären Sonnung im Frühjahr, in ihren Körpern gespeicherte Wärme. Außerdem können Luftschächte und Pforten auf der Nestkuppel nachts und bei Kälte oder Regen geschlossen und bei Hitze weit geöffnet werden. Zusätzlich trägt auch die Form und die Größe der Nestkuppel zur Temperaturregulation bei. An sehr sonnigen, warmen Standorten ist der oberirdische Nestbereich meist sehr flach ausgebildet. Je feuchter und schattiger der Standort, desto steiler ist die Kuppel. Mit der Größe des Ameisenvolkes nimmt auch seine Fähigkeit zur Temperaturregulation, vor allem zur Erwärmung, zu, so daß junge Völker auf sonnige Standorte angewiesen sind, große Völker mit weniger Besonnung auskommen. Bevorzugt werden Mischwälder, besonders Eichenmischwald und Nadelmischwald, aber auch Nadelmonokulturen.

Gegen Ende September schlüpfen die letzten Arbeiterinnen im Ameisennest. Puppenhüllen und Abfälle werden fortgetragen, Eingänge teils geschlossen, teils verengt, die Nestdecke wird verstärkt. Wintervorräte werden im Körper eingelagert. Schließlich herrscht ab ca. Ende November bis Ende Februar wieder Ruhe im Ameisenhaufen.


2.4. Ernährung

Die Nahrung der hügelbauenden Waldameisen besteht, nach Wellenstein 1952, zu ca. 62 % aus Honigtau und Blütennektar, zu 33% aus Insekten, zu 4,5 % aus ausfließenden Pflanzensäften und größeren Tierleichen und zu 0,5 % aus Hutpilzen und Pflanzensamen.

 

Formica rufa frißt Raupe by Piet Spaans
Formica rufa frißt Raupe by Piet Spaans

2.5 Bedeutung für das Ökosystem Wald

2.5.1 Waldameisen als Räuber

Von forstlicher Bedeutung ist das Vertilgen von Schadinsekten aus allen Schichten des Waldbestandes - von der Bodenoberfläche bis zu den äußersten Kronenspitzen. Ihre Hauptjagdaktivität entfalten die Ameisen am Nachmittag, jedoch nur bei Temperaturen über 9°C. Sie gehen einzeln auf Jagd, können aber durch einen Signalduftstoff Artgenossen zu Hilfe rufen, wenn sie alleine die Beute nicht überwältigen können. Durch den massenhaften Verzehr von Forstschädlingen - ein mittelgroßes Volk von F. polyctena kann von April bis Oktober ca. 10 000 000 Insekten vertilgen - kann es im direkten Umkreis (ca. 30m im Radius) zur Bildung grüner Inseln kommen, wenn rundherum alles von Schädlingen kahl gefressen ist. Insbesondere eine Massenvermehrung von Kiefernspanner (Bupalus piniarius), Forleule (Panolis flammea), Kiefernspinner (Dendrolimus pini), Nonne, Eichenwickler (Tortrix viridana) und Blattwespe (Diprion pini) kann durch die Aktivität von Waldameisen verzögert bzw. verhindert werden. In einem "normalen" Jahr besteht die Jagdbeute der Ameisen zu ca. 42 % aus Forstschädlingen, 28 % indifferenten Arten und 16 % Nutzinsekten. In Jahren der Massenvermehrung von Forstschädlingen besteht sie dagegen sogar zu 90% aus Schädlingen, 3 % indifferenten Arten und 7 % Nützlingen. Ein großer Teil der Jagdbeute wird nicht erkennbar im Kropf am Hinterleib der Ameisen transportiert und im Nest an Artgenossen verfüttert (daher die Bezeichnung "sozialer Magen").

 

2.5.2 Waldameisen als "Hirten"

Eine wichtige Rolle spielen die Waldameisen bei der Gewinnung von Waldhonig. In dieser Funktionsreihe fungieren die Waldbäume als Wirtspflanzen und Nährstoffabrikanten für Lachniden (Baumläuse), die aus dem Baumsaft, den sie durch Anbohren des Phloems der Wirtspflanze gewinnen, Honigtau erzeugen. Honigbienen reinigen Wirtspflanze und Schadinsekt von überschüssigem Honigtau und produzieren daraus Waldhonig. Die Ameisen ihrerseits spielen die Rolle der Lachnidenheger, wobei auch ihnen der Honigtau als Nahrung dient. Besonders in insektenarmen Jahren können sich Ameisenvölker durch die Hege von Lachnidenherden eine ausreichende Kohlenhydratversorgung sichern. Ein mittleres Ameisenvolk verbraucht im Laufe einer Vegetationsperiode ca. 75-100 kg Honigtau. Der Bedarf an Fetten und Eiweißen, der normalerweise weitgehend durch Jagd auf Insekten gedeckt wird, kann für geraume Zeit auch ausschließlich über Honigtau befriedigt werden. Von Ameisen bewacht und beschützt werden mindestens 74 verschiedene Läusearten. Die wahrscheinlich uralte Beziehung zwischen Ameisen und Lachiden wird als Trophobiose bezeichnet. Sie ist so wichtig, daß fast alle Arten der Familie der Formicinen nur dort gedeihen, wo Pflanzensauger Honigtau liefern. Umgekehrt bildet jeder Ameisenstandort gewissermaßen das Zentrum für ein Lachnidenvorkommen. "Seine Melkkühe" markiert ein Ameisenvolk mit Duftstoffen und verteidigt sie gegen Feinde wie Schwebfliegenlarven, Marienkäfer und fremde Ameisen. Eine sehr wirksame Waffe ist dabei die für Kleintiere tödliche 60%ige Ameisensäure aus der Giftblase am Hinterleib. Ein weiterer Nutzen für die Lachniden ist, daß ein Verkleben durch die Abnahme des Honigtaus durch die Ameisen verhindert wird. Viele der wichtigsten Honigtauerzeuger sind so sehr auf diese Pflege angewiesen, daß ihre Kolonien ohne Ameisen völlig verkleben und zugrunde gehen würden (z.B. Braune Birkenrindenzierlaus Symydobius oblongus). Andere Lachnidenarten sind in der Lage, den überschüssigen Honigtau in Wachsfäden einzuspinnen, ihn weit von sich zu spritzen oder mit den Hinterbeinen fortzuschleudern. Sie kommen auch ohne Ameisen aus.

Ein typisches Verhaltensmuster kennzeichnet die Honigtauabgabe. Die Lachniden zeigen ihre Bereitschaft zur Abgabe eines Honigtautropfens durch Aufrichten des Hinterleibs und Pendeln mit den Hinterbeinen an. Daraufhin werden sie von "ihren Ameisenhirten" durch leichte Fühlerschläge betrommelt, worauf Honigtau abgesondert wird. Nun kann der Honigtau von den Ameisen aufgenommen werden.

 

2.5.3 Waldameisen als "Landschaftsgärtner"

Positiven Einfluß hat die Waldameise, neben Schädlingsvertilgung und Steigerung der Waldhonigproduktion, auch auf die Waldböden. Durch ihre intensive Bautätigkeit tragen sie mit zur Auflockerung, Durchmischung, Durchlüftung und Einarbeitung von Humus ins Erdreich bei. Desweiteren sind sie wichtig für die Verbreitung vieler Pflanzensamen (es gibt ca. 154 Pflanzenarten mit Eleiosom).

 

2.5.4 Waldameisen als Nahrung

Waldameisen dienen als Nahrung insbesondere für Vögel. So verwenden die seltenen Rauhfußhühner wie Auer-, Birk- und Haselhühner Ameisen zur Brutaufzucht, und Spechtvögel sind regelmäßig in Ameisenhabitaten anzutreffen. Ein Specht vertilgt dabei ca. 3000 Waldameisen pro Tag.

 

Ameisenschutzgitter
Ameisenschutzgitter

2.6 Gefährdung und Schutz

Natürliche Feinde der Waldameisen sind besonders Specht, Wendehals, Dachs, Fuchs und Schwarzwild. Im Sommer picken viele Vögel Ameisen von der Nestoberfläche. Während des Winters treibt der Specht tiefe Gänge in den Ameisenhügel bis zu den Kammern, wo sich die Königinnen befinden. Dadurch kommt es zu Eindringen von Feuchtigkeit und Kälte, und ein ganzes Ameisenvolk kann zugrunde gehen. Große Schäden an den Ameisenhügeln werden auch von Wildschweinen angerichtet, die sich gern in den Haufen suhlen. Dies soll ein effektives Mittel sein, um sich von Ungeziefer zu befreien, da die bedrängten Ameisen ihr für andere Kleininsekten tödliches Gift versprühen. Dies machen sich auch Vögel zunutze, die Ameisenhügel anfliegen und sich mit der Säure gegen Milben bespritzen lassen. Fuchs und Dachs zerwühlen häufig ungeschützte Ameisenhügel, um an die sehr begehrten Larven des Rosenkäfers heranzukommen, die gern in Ameisenhügeln schmarotzen. Beim Graben nach Rosenkäferlarven wird nicht selten ein ganzes Ameisennest völlig zerstört.

Neben den Larven des Rosenkäfers, die sich von den Ameisen so lange mit Nahrung versorgen lassen, bis sie ihre Entwicklung abgeschlossen haben und als fertige Käfer ausfliegen, gibt es noch weitere Mitbewohner im Ameisennest. Die Larve des 4-Punkt-Käfers (Clytra quadripunctata) verzehrt sogar Eier, Larven und Puppen seiner Gastgeber.

 

Leider geht der Bestand der so nützlichen und wichtigen Waldameisen durch Eingriffe des Menschen - mutwillige Zerstörung von Ameisenhügeln, Plünderung zur Gewinnung von Ameisenspiritus zu Heilzwecken (gegen Gicht und Rheuma), Ausgraben von Puppen als Vogel- und Fischfutter, Zerstörung des Lebensraumes, fahrlässige Beschädigung bei forstlichen Eingriffen u.a. - immer weiter zurück.

 

Seit einigen Jahren werden deshalb verstärkt Maßnahmen zum Schutz der Waldameisen ergriffen. Dazu gehört das Anbringen von Schutzhauben, um die Ameisenhügel vor Zerstörung durch Menschen und Tiere zu bewahren, die Beseitigung von stark beschattenden Büschen, Farnen, Kräutern und Gräsern, Erhalt alter Fichten, Tannen und Eichen im Nestbereich als Habitat für Baumläuse, Entfernen von Aufwuchs auf dem Nest, Umsetzen stark gefährdeter Völker und die künstliche Ablegerbildung. Damit Schutzmaßnahmen sachkundig durchgeführt werden, werden Lehrgänge, z.B. durch Ameisenschutzwarten, durchgeführt. Besonders für die schwerwiegenden Eingriffe des Umsetzens und der Ablegerbildung braucht es eine gute Kenntnis der Arten, ihrer Verhaltensweisen und bevorzugten Lebensräume. Ohne dieses Fachwissen und Erfahrung kann eine Umsetzungsaktion oder eine versuchte Ablegerbildung leicht dazu führen, daß der alte Nesthügel so beschädigt wird, daß er aufgegeben werden muß, und der neue sogleich wieder verlassen wird. Eine Entnahme von Ameisen zur Nestvermehrung darf nur mit Genehmigung der Naturschutzbehörde und des Waldbesitzers durchgeführt werden.

Muß ein Ameisenhaufen umgesetzt werden, sollte dies bei sonnigem Wetter im April geschehen, wenn sich die Königinnen im oberen Nestbereich aufhalten. Der neue Standort sollte dem alten möglichst ähnlich sein, der Nestmittelpunkt von einem besonnten, alten Stubben vorzugsweise im Innern eines südexponierten Waldrandes gebildet werden. Ein günstiger Standort ist ausreichend, aber nicht zu stark besonnt (günstig: Einfallswinkel von 45° während längerer Zeit des Tages) , bevorzugt in wärmeren Süd- und Osthanglagen mit gutem Wasserhaushalt, Windschatten, tiefgründigen, nicht staunassen Böden, Insektenreichtum und ist arm an Bodenvegetation, aber reich an Spreu. Besonders reich an Lachniden und somit Honigtau sind Eichen, Birken und Lärchen, während Rotbuche, Hainbuche, Douglasie und Weymouthkiefer ungünstiger sind.

 

Die künstliche Ablegerbildung nach Prof. Gößwald, Institut für Angewandte Zoologie der Universität Würzburg, wird nur in der Zeit der Frühjahrssonnung bei polygynen Völkern mit genügender Bonität durchgeführt. Nur dann kann dem Mutternest eine ausreichende Anzahl an Königinnen entnommen werden, ohne daß dem alten Nest ein größerer Schaden zugefügt wird. Pro Ableger werden mindestens 200 l dichtgedrängtes Ameisenmaterial mit 200 Königinnen benötigt, ggf. auch aus verschiedenen Nestern. Die Entnahme erfolgt morgens. Der Mutterhaufen muß an der Entnahmestelle sorgfältig mit trockenem Reisig aufgefüllt und mit Nestdeckenmaterial abgedeckt werden. Zur Ansiedelung des Ablegers muß zunächst die Rinde des ausgewählten Stubbens und evtl. das Erdreich gelockert werden. Nun legt man ca. daumenstarkes Geäst pyramidenartig auf den Baumstumpf, entleert vorsichtig einen Teil des Ameisenmaterials, schichtet erneut einige Zweige auf, usw. Zum Schluß kann man zur Arbeitserleichterung für die Ameisen einen Eimer trockene Streu neben dem Ableger entleeren und ihnen ein Pfund Zucker für den guten Start und zur Bindung an den neuen Standort ausstreuen.